Niedersachsen: Weideschäden nur beim ersten Schnitt

Ende der 1990er Jahre gab das Niedersächsische Umweltministerium die erste Untersuchung zum Einfluss der rastenden Gänse im Rheiderland (Landkreis Leer) auf landwirtschaftliche Nutzflächen in Auftrag. Im Ergebnis wurde 2000 ein Vertragsnaturschutzprogramm für Landwirte in Gänsegebieten gestartet, das für den Schutz der Gänse Finanzmittel beinhaltete. Das Programm ist sehr erfolgreich und wird von den meisten Landwirten angenommen. Insgesamt zahlt Niedersachsen aktuell rund 8 Mio Euro für dieses Programm, allein davon knapp 2 Mio Euro in das Rheiderland. Die Untersuchungen zum Ausmaß des Biomasseverlustes wurde in etwa 10jährigen Abständen wiederholt. Jetzt liegt eine umfassende biostatistische Analyse der Ergebnisse vor.

Schutzkörbe wurden zur Untersuchung eingesetzt
Mit Schutzkörben wurden der Biomasseverlust ermittelt

Niedersachsen besitzt für arktische Gänse eine besonders hohe internationale Verantwortung. Entsprechend sind für diese Vögel rund 125.000 ha Fläche als EU-Vogelschutzgebiete ausgewiesen worden. Bereits Mitte der 1990er Jahre wurden in Ostfriesland Untersuchungen zum Ausmaß von Ertragsminderungen durch Gänse begonnen. Dazu wurden auf Grünlandflächen von der Landwirtschaftskammer Schutzkörbe aufgestellt, die die Gänse am Fressen innerhalb des Bereiches hinderten. So konnten Unterschiede zwischen beweideten und unbeweideten Bereichen auf der gleichen Parzelle ermittelt werden. Parallel wurden wöchentlich die Gänsebestände erfasst. Dies ermöglichte es, die Gänsebestände in Beziehung zu den Ertragsminderungen zu setzen. Die jetzt unter Leitung des Niedersächsischen Umweltministeriums veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die Biomasseverluste beim ersten Grasschnitt zugenommen haben. Sie stiegen von ca. 15 % Ende der 1990er Jahre auf im Mittel ca. 50 % Ende der 2010er Jahre an. Ursächlich für den Anstieg der Verluste sind steigende Zahl rastender Nonnengänse, die aufgrund verschiedener Faktoren wie dem Klimawandel ihr Zugverhalten verändern. Einerseits ziehen die Nonnengänse aufgrund der milden Winter bereits früh aus den Niederlanden Richtung Osten nach Niedersachsen, Schleswig-Holstein und zunehmend Dänemark ab, andererseits können sie bis in die 1980er Jahre traditionelle Zwischenrastplätze im Ostseeraum nicht mehr nutzen. Daher müssen die Vögel bis zu sechs Wochen länger im Wattenmeerbereich rasten, um die mehr als 2.500km lange Reise in die Brutgebiete antreten zu können. Die ebenfalls im Küstenraum überwinternden Blässgänse, die bereits Ende März in die arktischen Brutgebiete aufbrechen, hatten keinen nachweisbaren Effekt auf die im Grünland auftretenden Schäden. Es wurde zudem festgestellt, dass der Energiegehalt des ersten Grasschnittes durch die landwirtschaftliche Intensivierung der letzten 20 Jahre deutlich angestiegen ist. Während sich aber die Biomasse beim ersten Schnitt durch die Gänsebeweidung reduziert, wiesen die nachwachsenden Gräser auf den Gänse-Äsungsflächen höhere Energie- und Proteingehalte auf als die Pflanzen unter den Schutzkörben.

Quelle: Heinz Düttmann, Helmut Kruckenberg, Rolf Bünte, Julia Delingat, Dieter Emke, Mona Garlichs, Pius Korner, Christine Kowallik, Gerhard Lauenstein, Peter Südbeck und Franz Bairlein. Journal of Applied Ecology, Januar 2023, frei zugänglich: besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.14340