Emsstau zerstört über tausend Gänsenester

Die Meyer-Werft baut Kreuzfahrtschiffe in Papenburg, 40km von der Küste entfernt. Um die riesigen Schiffe zum offenen Meer zu bringen, wurde ein Stauwerk kurz vor Emden gebaut. Was das für die Vogelwelt im Europäischen Vogelschutzgebiet der Ems bedeutet, war erneut Ende März 2022 zu beobachten: durch zu hohe Wasserstände versanken über 1.300 Gänsenester und viele Gelege von Kiebitzen und anderen Vögeln in den Fluten.

Seit den 1980er Jahren werden Kreuzfahrtschiffe auf der Meyer-Werft in Papenburg gebaut. Viermal wurde die Ems in den Jahren zwischen 1984 und 1995 bereits vertieft, um so den Stapellauf immer größerer Schiffe der Werft zu ermöglichen. Dabei handelte es sich nach Ansicht von Naturschützern nicht allein um eine riesige Umweltzerstörung, sondern zugleich um eine absurde Subvention einer Werft im Binnenland, während in den 1990er Jahren die Werften an der Nord- und Ostseeküste starben. Doch zu Beginn der 1990er Jahre konnten die Luxusliner durch die bis dahin auf eine Tiefe von 6,80 Meter vertiefte Ems kaum mehr ins offene Meer befördert werden. . Aus diesem Grund wird der Fluss mit dem Sperrwerk abgeriegelt und zusätzlich mit starken Pumpen Wasser von der Außenems eingebracht. Allerdings erhöht sich dadurch nicht nur die Fahrwassertiefe, sondern es werden auch die angrenzenden Vorlandsflächen überflutet. Flächen, die als Europäisches Vogelschutzgebiet des Natura2000-Netzes und als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind, damit hier die Vögel des Feuchtgrünlandes und der Röhrichte sicher brüten können. Grau- und Weißwangengänse, Stockenten oder Kiebitze - sie alle gehören fest zur Brutvogelwelt. Für die beginnt die Brutzeit schon recht zeitig. Graugänse bauen ihre Nester oftmals bereits Anfang März in den Röhrichten an der Ems und besonders auf den beiden Emsinseln. Auch Kiebitze beginnen sehr früh mit der Eiablage. 2016 wurde zuletzt eine vollständige Erfassung der brütenden Graugänse mit einer Foto-Befliegung der Emsvorländer zwischen Papenburg und Emden durchgeführt. Die Auszählung der Luftbilder ergab in der Unterems 1.079 Grau- und 110 Weißwangennester. Diese konzentrieren sich auf wenige Uferbereiche: die Inseln Bingumer und Hatzum Sand sowie einige Vorlandsbereiche in der Nähe des Autobahntunnels sowie die Weekeborger Bucht, einen Altarm bei Weener. Diese Schilfgebiete wurden nach den Pegelmessungen und auch vom Ufer aus gut erkennbar, vollständig und mindestens 50cm hoch für mehrere Stunden überflutet. Es ist davon auszugehen, dass keines der Vogelnester in diesen Flutgebieten überlebt hat. Rechnet man pro Gänsenest im Mittel mit 4-6 Eiern, so dürften mindestens 4.800- 7.200 Gänseeier durch die menschengemachte Überschwemmung abgetötet worden sein. Bei einer Spülsaumkontrolle am 15.4.2022 wurden hunderte angeschwemmter Eier auf nur wenigen Metern gefunden. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die komplette Brut der Grau- und Weißwangengänse im Vogelschutzgebiet "Unterems" in diesem Jahr der Meyer-Werft zum Opfer fiel. Ein Winterstau der Ems zur Schiffsüberführung ist zwar bis Ende März erlaubt, jedoch müssen dabei die Naturschäden so gering wie möglich gehalten werden. „Hier wurde auf den letzten Drücker mit maximal möglicher Aufstauhöhe noch schnell ein Schiff überführt, im wahrsten Sinne des Wortes, ohne Rücksicht auf Verluste. Wir müssen von mehreren Tausend verlorenen Küken ausgehen. Dies betrifft vor allem Gänse, Enten und Kiebitze“, erläuterte Ihno Völker von NABU in Ostfriesland. „Wir fordern, dass in Zukunft der Artenschutz berücksichtigt und damit deutlich mehr Rücksicht auf die Tiere genommen wird.“